Dienstag, 17. April 2012

Kunstvoller Zeitvertreib





Ein verregneter Sonntag? Keine Lust aus dem Haus zu gehen? Dann habe ich einen Tipp für euch: ein Museumsbesuch, vielleicht auch zwei oder drei, und zwar trockenen Fußes vom Sofa aus. Wie wär's mit einem Abstecher nach Paris ins Musée d'Orsay – kennt ihr schon? Dann vielleicht nach Qatar ins Museum für Islamische Kunst oder nach Tokyo ins National Museum? 151 Museen in 40 Ländern stehen auf der Online-Plattform des Google Art Projects rund um die Uhr zur Auswahl. Kostenlos und nur einen Mausklick entfernt.

Per Street View auf Entdeckungstour durch die internationale Museumslandschaft. Photo: Google










Was vor gut einem Jahr mit 1000 Kunstwerken begann, ist inzwischen auf über 30.000 Objekte angewachsen, die alle in hoher Auflösung auf der Website präsentiert werden. Besondere Kunstwerke wurden sogar mittels Giga Pixel in sieben Milliarden Pixel aufgelöst. In die kann man sich rein zoomen und jeden Pinselstrich, jeden noch so kleinen Riss genau ansehen. Ob man ein altes Gemälde wirklich so detailliert betrachten will, ist eine andere Frage. Tatsache bleibt, online ist erlaubt, was vor Ort für Aufregung sorgen würde. 
Rund ein Drittel der teilnehmenden Museen lassen sich per Street View-Technik erforschen. Online durch die Räume schlendern, bei einem Werk verweilen, drauf klicken und sich die Informationen dazu anzeigen lassen. Für seine Lieblingsarbeiten kann man sich eine eigene Sammlung anlegen unter Meine Galerien und sie mit anderen teilen. Dazu muss man sich jedoch anmelden, während das Bummeln und Schauen auch so erlaubt ist. Für alle, die es genau wissen wollen, empfiehlt sich das Einführungsvideo (mit einer Dauer von mehr als zwei Minuten etwas langatmig, aber optisch gut gemacht) auf Youtube.
Mal abgesehen von den technischen Möglichkeiten, wie findet man nun seine Lieblingswerke oder das Wunschmuseum? Eigentlich ganz einfach: Entweder über den Button Sammlungen oder über den Namen des Künstlers, beides oben links auf der Startseite. Aber das mit dem Namen hat seine Tücken, denn alle Künstler sind nach ihren Vornamen alphabetisiert. Etwas unpraktisch, aber bei Zweifel hilft der Suchmaschinengigant auch hier weiter.

Nach Zeitgenossen muss man beim Google Art Project richtig suchen. Selbst der Meister der Selbstvermarktung, Damien Hirst, ist nur mit zwei Arbeiten vertreten. Jeff Koons ebenfalls. Und wer sich auf die Sammlung der Tate Modern freut, wird ebenfalls enttäuscht – 0 Arbeiten/0 Künstler. Woran das wohl liegen mag? Möglicherweise daran, dass Bilder von noch lebenden Künstlern ohne deren Freigabe nicht gezeigt werden dürfen. Das gilt auch für Werke von Künstlern, die noch keine 70 Jahre tot sind. Und davon gibt es eine Menge. Obwohl das Google Art Project nicht alles zeigen darf, befriedigt es dennoch die Neugierde. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Rundgang durchs Weiße Haus? So lässt sich auch einem verregneten Sonntag etwas abgewinnen.

www.googleartproject.com

Samstag, 7. April 2012

Und wo ist die echte Cindy?

Heute die intellektuelle Brillenschlange, morgen der extrovertierte Vamp, übermorgen das schüchterne Mädchen von nebenan und jedes Mal unerkannt bleiben – das wäre ein Spaß, den sicher so manch einer von uns gerne leben würde. Cindy Sherman tut es. Sie ist auf fast all ihren Arbeiten zu sehen und auch wieder nicht. Eine Meisterin der Verwandlung, die zu den wichtigsten Künstlerinnen unserer Zeit gehört.

Fünf Mal Cindy Sherman – im Großformat begrüßt die Künstlerin ihre Besucher im New Yorker MoMA.























Wow entfährt es einem, wenn man im sechsten Stock des MoMA angekommen ist und von dem Sherman-Wallpaper empfangen wird. Gut, in Amerika hat alles andere Dimensionen, das gilt natürlich auch für die Kunst. Aber der erste Eindruck bleibt, wenn auch nicht in dieser Größenordnung. 171 ihrer wichtigsten Arbeiten vereint in einer Ausstellung und jede zeigt die Künstlerin. Offensichtlich zu erkennen, gibt sie sich auf keiner Einzigen. Warum sollte sie, schließlich liebt sie die Inszenierung, die Verkleidung, das Rollenspiel und genau das ist nach über drei Jahrzehnten noch immer Cindy Shermans Markenzeichen. Ein anderes ist, dass sie in ihrem Studio bis heute alles alleine macht: Make-up, Kostüme, Requisite, Licht und Fotografie. Hat sie sich erst einmal für ein Foto verwandelt, geht sie so auch gerne aus. Das hört man immer wieder. Vielleicht ein Gerücht, aber zu zutrauen wäre es ihr. Kein Wunder, dass man sich in der Ausstellung unweigerlich fragt: Und wo ist die echte Cindy? Wo steckt das Original?

Maskerade à la Cindy Sherman – weibliche Rollenbilder sind das Hauptthema ihrer Arbeiten.







Beim Betrachten der Fotos läuft das Kopfkino auf Hochtouren: Merkwürdig angezogene Frau, sie hat sich eigens hübsch gemacht, Schmuck angelegt, wird vermutlich endlich einmal wieder von ihrem Mann ausgeführt ... Sucht man nach einer Erklärung, einer Bestätigung der eigenen Geschichten, erhält man keine. Shermans Arbeiten sind alle untitled. Also lasst eurer Fantasie freien Lauf, genießt den Freiraum und die vielen Verwandlungsideen der Künstlerin. 
Die Sherman Retrospektive im New Yorker MoMA läuft noch bis 11. Juni 2012. Danach geht sie auf Tour mit Stationen in San Francisco, Minneapolis und Dallas.


Eröffnung in Wien – die echte Cindy!
Ein Tipp für alle, die es nicht über den großen Teich schaffen: Shermans Frühwerk ist noch bis 16. Mai 2012 in Wien zu sehen. Die Ausstellung That's me – That's not me. Frühe Werke von Cindy Sherman, Vertikale Galerie/Sammlung Verbund, zeigt Arbeiten aus den Jahren 1975 bis 1977. Da war die Künstlerin gerade mal Anfang zwanzig, studierte am State University College in Buffalo und begann ihre Lust am sich selbst Verwandeln auf Fotos festzuhalten. Vermutlich sieht man hier mehr vom Original. Ich weiß es nicht, aber es wäre auf jeden Fall ein Grund die Wiener Ausstellung zu besuchen.



Bildnachweise/Photocredits: 
Oben: Untitled 2010, Pigment print on PhotoTex adhesive fabric, dimensions variable. Courtesy the artist and Metro Pictures, 
New York 
Mitte von links: Untitled #458, 2007-08, Chromogenic color print (196,5x148 cm), Glenstone; Untitled Film Still #6, 1977, Gelatine silver print (24x16,5 cm), The Museum of Modern Art New York; Untitled #359, 2000, Chromogenic color print (76,2x50,8 cm), Collection Metro Pictures, New York; Untitled #474, 2008, Chromogenic color print (231,1x153 cm), The Museum of Modern Art, 
New York.
Unten; Cindy Sherman, Vertikale Galerie in der Verbund Zentrale, © Christian Redtenbacher / Verbund